Lassen Sie sich nicht täuschen von „POPtical Illusion“, dem verspielten Titel von John Cales zweitem Album in etwas mehr als einem Jahr: Er ist immer noch wütend, immer noch erzürnt über die mutwillige Zerstörung, die unkontrollierte Kapitalisten und reuelose Betrüger über die Wunder dieser Welt und die Güte der Menschen gebracht haben.
„Die Rechten brennen ihre Bibliotheken nieder“, krächzt Cale ätzend aus dem Inneren eines statischen Sturms während ‚Company Commander‘, einem schwindelerregenden Herzstück aus verwirrenden Sequenzen, hektischen Rhythmen und sich überlagernden Drones. „Giving us the benefits and the doubt“. Solche Momente während des einstündigen und alles verschlingenden POPtical Illusion verstärken das Gefühl von MERCY, Cales viel gelobtem Album von 2023, das ebenso neugierig wie heftig war. Gäste wie Weyes Blood, Animal Collective und Sylvan Esso verstärkten dieses Gefühl, indem sie das Unbehagen und die Wut über die Generationsgrenzen hinweg verstärkten. Für sein erstes Soloalbum seit sieben Jahren hatte Cale eine Menge unangenehmer Nachrichten zu verarbeiten.
Aber bei „POPtical Illusion“ handelt es sich keineswegs um MERCY II oder um eine Sammlung von Auslaufmodellen. Tatsächlich war Cale in seiner mehr als sechs Jahrzehnte währenden Karriere noch nie ein Freund von Wiederholungen. Seine avantgardistische Begeisterung wechselte mit stolzer Rastlosigkeit zwischen ekstatischer Klassik und ungebundenem Rock, zwischen klassischem Songhandwerk und elektronischer Neuinterpretation. Und so verzichtet er auf POPtical Illusion auf die illustre Besetzung, um sich größtenteils allein in die Labyrinthe von Synthesizern und Samples, Orgeln und Klavieren zu begeben, mit Worten, die für Cale eine Art wirbelnde Hoffnung darstellen, ein weises Beharren darauf, dass Veränderung noch möglich ist. „Wenn du Dinge getan hast, von denen du wünschtest, du hättest sie nie getan“, singt er im unbändigen ‚Davies and Wales‘, einem beschwingten Stück New-Wave-meets-Brian-Wilson-Freuden, ‚denk an die Dinge, die du heute Abend tun wirst‘. Produziert von Cale und seiner langjährigen künstlerischen Partnerin Nita Scott in seinem Studio in Los Angeles, ist POPtical Illusion das Werk von jemandem, der weder die Wut noch die Gründe dafür ignoriert, sondern stattdessen versucht, sich der Zukunft zuzuwenden - genau so, wie Cale es natürlich immer getan hat.
John Cale war schon immer ein Musiker der Zeit und trug dazu bei, titanische Verschiebungen in Klang und Kultur einzuleiten. Die bahnbrechenden Drones seiner Sun Blindness Music ebneten den Weg zu The Velvet Underground. Der wilde Rock von Fear und Slow Dazzle, ganz zu schweigen von seinen Produktionen mit Patti Smith und den Stooges, prägte ein halbes Jahrhundert lang Punk, Post-Punk und Art-Rock. Auf POPtical Illusion zeigt sich Cale einmal mehr als Musiker dieser Zeit. |